Eiszeit im Kühlschrank

Eiszeit im Kühlschrank

Ich öffne den Kühlschrank und eisige Luft schlägt mir entgegen. Hm, denke ich, ist es in der Küche so warm? Ich nehme die Butter und den Käse fürs Frühstück aus den Fächern, beides hartgefroren, in der Packung des Käses sogar Eiskristalle. Hoppla? Bei genauerem Hinsehen ergibt sich, das sind nicht die einzigen Dinge, die gefroren sind, auch das Gemüse im Gemüsefach und den Magerquark hat es erwischt. Später werde ich feststellen, dass sogar das Eiweiß in den Eiern milchig gefroren ist und die Marmeladen- bzw. Gurkengläser von außen mit einer Schicht Reif überzogen sind.

Woher kommt das? Ich stelle nie etwas in den Kühlschrank, das nicht vollständig abgekühlt ist. Ich putze Kondenswasser und andere Feuchtigkeit immer ab, bevor etwas in den kühlenden Schrank geht. Ich putzte immer sofort auf, wenn irgendetwas ausläuft oder nässt. Mir fällt ein, ich habe den Schrank über die Feiertage ziemlich vollgeladen gehabt, weil ich Lebensmittel für zwei Wochen gebunkert hatte, wollte auf den Einkaufsstress zwischen den Feiertagen verzichten. Letztlich war das gut so, weil wir uns einen schweren Infekt eingefangen hatten und damit keiner hätte einkaufen gehen können. Das Essen hat dann mangels Kochlust auch für mehr als zwei Wochen gereicht. Jetzt ist der Kühlschrank aber kaum mehr gefüllt, daran kann es also nicht liegen.

Ich schaue nach, ob irgendwo etwas ausgelaufen ist und ich das übersehen habe, eine Lüftungsöffnung blockiert ist (innen wie außen) oder mir sonst etwas auffällt. Ich entdecke einen ziemlich großen Plastikschieber innen an der Rückwand, ein bisschen versteckt hinter den Glaseinlagen, der leicht schief steht und noch mit diesem blauen Plastikklebeband, das bei Lieferung die Glaseinlagen festhält, bestückt ist. Das entdecke ich nach fünf Jahren problemloser Nutzung! Ich rücke ihn wieder gerade. Vielleicht ist da irgendetwas gegengekommen und hat ihn verschoben. Ich suche trotzdem nach weiteren Ursachen und finde nichts. Der Schieber interessiert mich, so dass ich die Bedienungsanleitung hervorkrame und diese gründlich studiere. Ich lerne, dass man mit dem Schieber die Temperatur im Nullgradfach regulieren kann. Ich schaue mir die Einstellung an, stelle fest, das passt so, müsste also alles wieder in Ordnung kommen, falls das die Ursache der Eiszeit gewesen sein sollte.

Ich gebe dem Schrank einige Stunden. Es verändert sich nichts, die Temperatur steigt nicht. Vielleicht mal die Temperatur umstellen? Kann ja sein, dass der Fühler irgendwie nicht richtig will oder an den Einstellungen etwas nicht passt. Der Kühlschrank läuft normalerweise auf Eco zum Stromsparen. Ich stelle ihn um auf 6 Grad oben im Kühlteil, -18 unten im Gefrierteil. Erneut warte ich ein paar Stunden. In der Zwischenzeit fällt mir ein, dass wir irgendwo ein Kühlschrankthermometer rumliegen haben. Ich lege es ins Nullgradfach. Nach einiger Zeit zeigt es -5 Grad an, deutlich zu kalt. Ich gehe erneut die Temperatureinstellungen und die Bedienung durch, stelle den Kühlschrank auf 8 oben, -16 unten und warte erneut.

Am nächsten Tag herrscht immer noch Eiszeit, anscheinend läuft das Gerät auf super frost im Dauermodus. In der Bedienungsanleitung steht, wenn die Kühlgefrierkombination zu stark kühlt, soll man sie für fünf Minuten vom Strom nehmen. Ich tue das, warte sogar 20 Minuten. Einige Stunden später hält die Eiszeit weiter an. Ich hole mir Rat, wir untersuchen den Kühlschrank erneut, gründlich, stellen die Temperatur um, den Schieberegler im Inneren, vielleicht ist ja doch der kaputt. Erneut geben wir dem Schrank ein paar Stunden, aber es bleibt eisig. Wir geben dem Gerät immer wieder ein paar Stunden, um zu schauen, ob die kleinen Veränderungen, die wir vornehmen, irgendeine Veränderung bewirken. Es vergehen Tage. Die Eiszeit hält an.

Da es sich um einen freistehenden Kühlschrank handelt, räume ich den halbhohen Küchenschrank daneben aus, wir ziehen Küchen- und Kühlschrank von der Wand und schauen dahinter, auch das bringt uns nicht weiter. Ich entsorge die Lebensmittel, die so durchgefroren sind, dass ich sie nicht mehr retten kann. Alles, was irgendwie geht, lagere ich in den unbeheizten Wintergarten oder Keller aus. Glücklicherweise ist Winter. Wir nehmen den Schrank erneut vom Strom, geben dem Ganzen noch eine Chance. Nach fünf Jahren ist auch keine Garantie mehr vorhanden, eine Reparatur vermutlich ordentlich teuer. Es stehen jetzt mehrere Kisten mit Tupperware, Rührschüsseln und ähnlichem aus dem geleerten Küchenschrank im Weg rum. Immer wieder muss man diese verschieben. Es nervt.

Leider hat auch die letzte Maßnahme nicht geholfen, ich habe noch immer einen Eiszeitgenerator in meiner Küche. Es bleibt nichts anderes übrig, ein Fachmann muss her. Der lokale Küchengerätehändler verspricht, dass sich ein Techniker meldet, sobald er kann. Es vergeht eine gute halbe Woche, bis dieser vorbeikommt und sich das Gerät anschaut. Es ist Donnerstag und immer noch viel zu kalt im Kühlteil. Man merkt es auch, wenn man die Tür öffnet, da kommt richtig Kälte raus wie bei den großen Schränken im Supermarkt. Mittlerweile habe ich festgestellt, dass die Temperatur im Inneren auch ordentlich schwankt. Der Techniker meint, dass vermutlich der Temperaturfühler bzw. einer oder mehrere von den vorhandenen kaputt ist. Dennoch soll ich den Schrank erst noch einmal vom Strom nehmen, diesmal jedoch für 24 Stunden, damit er neustartet. Anscheinend ist eine Batterie oder ein Akku verbaut, die/der dafür sorgt, dass die Einstellungen bei einem Stromausfall nicht sofort verloren gehen. Diese/r ist wohl erst nach 20 Stunden leer, so dass das, was da in der Bedienungsanleitung von fünf Minuten steht, völliger Quatsch ist. Wir verbleiben so, dass ich mich Anfang der nächsten Woche melde, ob es geklappt hat. Ich räume den Gefrierteil leer, verteile die tiefgekühlten Lebensmittel im glücklicherweise im Keller meiner Schwiegereltern vorhandenen Gefrierschrank, der nun bis auf den letzten Zentimeter vollgestopft ist, bringe Butter und Co. in ihrem Kühlschrank unter und alles andere in Keller oder Wintergarten, damit möglichst wenig verdirbt. Denn der Kühlschrank ist ja jetzt aus. Zum Kochen muss ich zwischen Keller, Wintergarten und Küche pendeln.

Die 24 Stunden sind um, die Eiszeit hält an. Das Gerät macht jetzt auch seltsame Klopf-Klick-Geräusche, auch nachts, manchmal weckt es mich. Ich mag nicht mehr. Ich räume nur noch das ein, was unbedingt gekühlt werden muss und nicht verdirbt, wenn es gefriert. Einige Dinge sind jetzt mehrmals gefroren und wieder aufgetaut worden, so dass ich sie nun doch entsorgen muss. Bei einigen anderen bildet sich wegen zu geringer Kühlung nun Schimmel, auch die müssen leider weg. Das mache ich nicht gerne, aber alles konnten wir leider auch nicht aufessen, dafür war es zu viel auf einmal, das nun plötzlich wegmusste. Wir rechnen einige Möglichkeiten durch und kommen zum Schluss, dass wir einen neuen Kühlschrank brauchen. Fünf Jahre sind nun wirklich keine gute Lebensdauer für eine Kühlgefrierkombination, vor allem nicht von einer Marke, die man mit Qualität in Verbindung bringt. Trotzdem muss jetzt eine neue her und zwar möglichst bald, was uns mehr als etwas ungelegen kommt, weil eine andere größere Ausgabe ansteht, aber das ist Inhalt eines weiteren Blogeintrags.

Wir machen einen besonderen Spaziergang an diesem Samstag (wohin erzähle ich ebenfalls im bereits erwähnten anderen Eintrag) und beschließen auf dem Rückweg beim lokalen Haushaltsgerätehändler reinzuschauen. Das tun wir auch, schildern unser Problem, werden supernett beraten und kaufen bzw. bestellen einen neuen Kühlschrank. Man fühlt sich dort einfach aufgehoben, kommt ins Gespräch, ist menschlich, umgänglich, zuvorkommend. Es ist erstaunlich, was die heutigen Kühlschränke so alles können außer kühlen. Da gibt es low frost, no frost, super frost, Sabbatmode, Urlaubsmodus, Partymodus, Wifi, Bluetooth, Eiswürfel- und Wasserspender, Erinnerungen und Warnmelder, smart home usw. Brauch ich alles nicht, will ich alles nicht, bekomme aber trotzdem das eine oder andere, weil es die Geräte ohne einfach nicht mehr gibt. Wir erfahren, dass man nach Ablauf der Garantiedauer eine Wertegarantie abschließen kann, so etwas wie eine kleine Versicherung, die manche Hersteller für ihre Geräte anbieten. Wir notieren uns das, ist günstiger als alle fünf Jahre einen neuen Kühlschrank zu kaufen. Mit einem guten Gefühl gehen wir nach Hause, die Eiszeit wird bald vorbeisein.

Eine halbe Woche später wird der neue Kühlschrank geliefert, der alte abgeholt, den ich vorsorglich komplett leergeräumt und vom Strom genommen habe. Die neue Kühlgefrierkombination wird ausgepackt, aufgestellt und angeschlossen. In zwei Stunden darf ich sie einschalten. Ich bin happy, stelle den halbhohen Küchenschrank daneben und räume ihn ein, endlich auch mal wieder ordentlich, endlich keine Kisten mehr, die alles blockieren. Neugierig inspiziere ich den neuen Kühlschrank, überlege und probiere, wo die Glasfächer hinsollen und was ich wo einräume, wenn er läuft. Dabei stelle ich fest, dass an den Seitenwänden außen noch die Schutzfolie drauf ist … super, denke ich, schnaube frustriert, aber es hilft ja nichts …

Ich räume den halbhohen Küchenschrank wieder aus, ziehe ihn beiseite und hole meinen Schwiegerpapa, weil ich den Kühlschrank allein nicht bewegt kriege. Wir rücken die Kühlgefrierkombination ein wenig von der Wand, ziehen die Schutzfolien ab und schieben den Schrank vorsichtig zurück. So weit so gut. Ich rücke den Küchenschrank wieder zurück, räume ihn erneut ein und bin ersten einmal geschafft. Zur Sicherheit warte ich etwas länger als zwei Stunden, bevor ich die Kühlgefrierkombination einschalte. Dann warte ich noch etwas, bevor ich die Lebensmittel einräume. Die sind ja gekühlt, hilft also beim Erreichen der gewünschten Temperatur. Im Kühlteil erreicht er die eingestellt Temperatur von 7 Grad °C bereits nach zwei Stunden. Den Gefrierteil will ich nicht mehr an diesem Tag einräumen, hab genug geräumt an diesem Tag, das mache ich am Tag darauf.

Ein paar Tage später bin ich glücklich mit dem neuen Gerät. Es ist schön leise, erzeugt angenehme gleichförmige Geräusche, kühlt gut, aber nicht zu viel. Wenn man es öffnet, ist da keine Wolke eisiger Luft. Ich habe kein Kondenswasser auf meinen Lebensmitteln und mir kommt der Verdacht, dass der vorherige Kühlschrank vielleicht von Anfang an nicht ganz richtig lief. Er wurde außen auch sehr schnell sehr warm, fast schon heiß, was aber in der Bedienungsanleitung als normal beschrieben wird. Ich hatte immer wieder Kondenswasser in ungeöffneten Verpackungen und in der Tiefkühlware Eiskristalle, auch wenn der Gefrierteil selbst nie Eis gebildet hat. Auch Gemüse hatte öfter mal weiche Stellen, obwohl es eigentlich noch gut war. Ich hatte das bisher auf die Behandlung der Waren beim Transport zum und aus dem Supermarkt etc. geschoben. Aber jetzt kommen mir Zweifel. Vielleicht schwankte die Temperatur im alten Gerät ja von Anfang an, vielleicht hatte ich auch schon immer zeitweise eine lokal beschränkte Eiszeit in meiner Küche. Wissen werde ich es nie, aber das Kühlschrankthermometer bleibt auch im neuen Gerät fester Stammgast, einfach zur Sicherheit. Auch damit ich früher eine mögliche Fehlfunktion entdecken und dann beheben lassen kann. Im Vergleich zur alten fühlt sich die neue Kühlgefrierkombination außen weder kühl noch warm an. Sie gibt keine nächtlichen seltsamen Geräusche mehr von sich, stattdessen ist es angenehm ruhig in der Wohnung, auch die seltsame Interferenz, die manchmal zwischen Kirchenglocken und Kühlschrank aufgetreten sind, sind endlich weg. Jetzt muss der Neue noch seine Haltbarkeit beweisen, aber aktuell bin ich sehr zufrieden.

Die Eiszeit ist vorbei.


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