Biohazard

Biohazard

Es ist Montag, Montag ist Mülltag d. h. wir bringen montags den Müll raus. Das beinhaltet meistens einen großen Pappkarton voll Papier/Karton, eine Tüte Recyclingmüll, eine kleine Tüte Restmüll und den Komposteimer.

Über die letzten Jahren haben wir angefangen, mehr und mehr frische Zutaten zu verwenden. Das bedeutet aber auch, dass wir mehr Biomüll produzieren. Beim letzten Komposteimer, den ich in Gebrauch hatte, sind nach einigen Jahren die Kunststoffscharniere des Deckels kaputt gegangen, so dass er nicht mehr so richtig und vor allem nicht sicher schließt, was für das übergangsweise Aufbewahren von Kompost nicht so geeignet ist. Es musste ein neuer Komposteimer her und ich habe mir einen etwas größeren geholt, um noch etwas extra Platz zu haben für Blätter und Zweige meiner Zimmerpflanzen, wenn ich diese trimme. Der alte Eimer dient weiter, jetzt als Behälter für Restmüll. Hätte mir dessen Schicksal eine Warnung sein sollen? Vielleicht.

Wie immer mache ich das Papier und die Pappe klein und staple es in einem Karton, packe den Recyclingmüll in einer Tüte drauf, den Restmüllbeutel daneben, so dass man das relativ bequem in einem von der Wohnung zu den Mülltonnen tragen kann. Den Biomüll trage ich immer extra, da der Eimer mit seinen neun Liter Fassungsvermögen ein ordentliches Gewicht erreichen kann.

Ich trete aus der Wohnung ins Treppenhaus, einen ersten Schritt auf die Treppe, einen weiteren. Unerwartet schert mit einem leisen Knall der Eimer, den ich am Henkel trage, erst zur einen, dann zur anderen Seite aus. Es knirscht, der Henkel reist auch auf der anderen Seite ab, dann knallts richtig und der Eimer poltert sich überschlagend und seinen Inhalt im gesamten Treppenhaus verteilend die Treppe hinab. Auf der vierten Stufe von unten bleibt er liegen, den Deckel nach unten geneigt wie eine Zunge auf die nächste Stufe. Es wirkt fast so, als würde er sich übergeben. So sieht es auch aus und so riecht es. Es ist eine riesige Schweinerei. Kurz bin ich erschrocken, dann genervt. Sowas braucht kein Mensch. Keine Ahnung, wo ich anfangen soll, den Schlamassel zu beseitigen. Eigentlich ist es auch völlig egal wo, da alles voll ist.

Alle Bewohner des Hauses haben live mitbekommen, was passiert ist. Alle schauen, sind kurz überfordert, froh, dass niemandem etwas passiert ist. Das Poltern hätte ja auch etwas Schlimmeres bedeuten können. Es hätte auch jemand ausrutschen und fallen können. Alle atmen auf, was ein Schreck. Und ich füge mich seufzend und etwas frustriert in mein Schicksal, sammle mit Kehrbesen und Schaufel das Gröbste ein und entsorge es in der Biotonne, da „sauber“ gerade keiner mehr durch unser Treppenhaus kommt. Sobald das erledigt ist, heißt es, die kleineren Brocken, den Kaffeesatz und all die anderen Unappetitlichkeiten zusammenzuklauben und aufzuwischen. Erst dann kann der restliche Müll entsorgt werden. Aber noch ist die Putzerei nicht zu Ende. Mühsam schrubbe ich jede einzelne Stufe von unserer Wohnung bis zum Keller mit ordentlich Seife, den Handlauf, jedes Stück Fußleiste und auch die Tapete, denn selbst vor der hat der Kompost keinen Halt gemacht. Es ist eine ungut riechende Sauerei, der ich hoffentlich rasch genug entgegenwirke, bevor sich der Geruch festsetzen kann. Ich finde sogar noch Kaffeesatz ganz unten auf dem Boden im Keller. Was eine Arbeit. Immerhin ist unser Treppenhaus, nachdem ich endlich fertig bin, so blank wie schon lange nicht mehr, da ich in jede Ecke schauen und jede Kante abwischen muss. Ich stütze mich mit links am Treppengeländer und an der Wand ab, während ich mich bücke und mit rechts alles ordentlich einseife und abwische. Unnötig mühsam das Ganze.

Der Henkel vom Eimer ist ab, lässt sich auch nicht mehr reparieren. Der Deckel ist aber noch ganz, wenigstens das. So lässt sich der Eimer immerhin noch nutzen, bis ich an einen neuen rankomme. Das wird gar nicht so einfach, ich versuche am nächsten Tag einen neuen in unseren lokalen Supermärkten zu bekommen, auch im Gartencenter, aber Fehlanzeige. Es gibt aktuell keine geeigneten Eimer mit Deckel. Geeignet heißt in diesem Fall in einer Größe, die auf meine Küchenzeile unter die Hängeschränke passt und ein bestimmtes Fassungsvermögen, einen gut schließenden Deckel sowie einen stabilen (neu ganz wichtig!) Henkel besitzt. Auf Nachfrage im Gartencenter erfahre ich, dass es aktuell zu Lieferschwierigkeiten kommt. Ich kann noch nicht einmal auf einen Futtereimer ausweichen, da für diese aktuell keine Deckel bestellt werden können. Lieferkettenschwierigkeiten, man kennt es inzwischen. Glücklicherweise ja nicht schlimm, passt nur zum gesamten Vorfall. Im Internet bestellen, mag ich den neuen Eimer nicht, würde den schon ganz gerne quasi Auge in Auge prüfen. Ich brauche also etwas Geduld.

Der restliche Tag verläuft ganz okay, ich habe den Vorfall schon fast vergessen, als ich mich abends wie schon unzählige Male zuvor mit dem linken Arm am Sofa abstütze und ein scharfer heißer Schmerz durch meinen Oberarm schießt. Der Arm lässt mich die Bewegung nicht zu Ende führen, irgendetwas eckt an, tut auch weh. Meine erste Reaktion ist, nach der schmerzenden Stell zu greifen, um zu fühlen, wo der Schmerz herkommt, aber es strahlt zu sehr aus, um einen eindeutigen Schmerzpunkt auszumachen. Ich bewege den Arm vorsichtig und das geht erstaunlicherweise. Ja, der Arm tut weh, aber jetzt stockt er nicht mehr mitten in der Bewegung, als sei er blockiert. Seltsam, denke ich. Bewege ihn in eine andere Richtung und erneut stockt er und der Schmerz schießt ein, strahlt von der Schulter bis in den Unterarm aus. Ich krieg kurz einen Schrecken, es ist der linke Arm, Herzinfarkt? Ich beruhige meinen inneren Hypochonder sofort, es fehlen ein paar Symptome für eine solch schlimme Diagnose. Viel wahrscheinlicher ist einfach eine dumme Bewegung. Leider wird der Schmerz mit der Zeit nicht besser, sondern erst einmal schlimmer. Ich finde langsam raus, welche Bewegungen und Belastungen es sind, die wehtun, und vermeide diese, aber auch in Ruhe tut der Arm oder präziser der Muskel weh. Es ist die Seite, auf der ich den Komposteimer getragen habe. Anscheinend habe ich mich bei dem Zwischenfall tatsächlich verletzt, obwohl ich in der Situation nicht wirklich etwas davon mitbekommen habe. Das wundert mich nicht, ich war zu genervt. Es hat an meinem Arm gezogen, als der Henkel abriss, aber ich habe mir nichts dabei gedacht. Ich habe den Arm danach weiter belastet, da ich ja nichts von der Verletzung mitbekommen habe. Aber ja, anscheinend habe ich mir da was gezerrt. Das ist zumindest die plausibelste „Diagnose“. Schöne Bescherung. So leicht kann man sich im Alltag also verletzen. Jetzt überlege ich mir gründlich, wie ich einen solchen Biohazard in Zukunft vermeiden kann.


Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert